Die Aktionärsrendite ist eine von Value Investor Research entwickelte Kennzahl. Sie errechnet die Rendite für Aktionäre auf das aktuell (zu Börsenkursen) gebundene Kapital. Im Vergleich zu Multiples (z.B. dem KGV) ist die Aktionärsrendite keine abstrakte Zahl, sondern lässt sich von jedermann anschaulich interpretieren. Im Gegensatz zu anderen Methoden lassen sich auch attraktive Wachstumswerte verlässlich und präzise einordnen.
Berechnung von internen Zinsfüßen auf das gebundene Kapital
Der interne Zinsfuß r einer Investition offenbart sich, wenn der Net Present Value (NPV) einer Investition Null ist. Die Anfangsinvestition a entspricht dem Marktwert des eingesetzten Kapitals am Finanzmarkt. Es fließen mithin die aktuellen Marktpreise an den Börsen ein:
Wenn man annimmt, dass die Erfolge eines Unternehmens jedes Jahr mit einer konstanten Wachstumsrate g wachsen, konvergiert die unendliche geometrische Reihe gegen einen Bruch („ewige Rente“) und es ergibt sich (vgl. Seppelfricke, Unternehmensbewertungen 2020, Anhang 1):
Die Rendite einer Investition am Finanzmarkt ergibt sich mithin aus dem zukünftigen/nachhaltigen „Erfolg“ bezogen auf den Marktwert des eingesetzten Kapitals zuzüglich der ewigen jährlichen Wachstumsrate der „Erfolge“. Diese Formulierung macht deutlich, dass nicht nur die aktuellen Erfolge, sondern auch die Wachstumsperspektiven in die Renditen mit einfließen.
Die geeignete Erfolgsgröße
Der „Erfolg“ soll den Vermögenszuwachs darstellen, der für die Kapitalgeber in einer Periode erwirtschaftet wird. Es lässt sich trefflich darüber streiten, wie diese Erfolge zu ermitteln ist. Analog zu den Bewertungsmultiples gibt es Entity-Ansätze (Bewertung der Marktwerte von Eigen- und Fremdkapital) und Equity-Ansätze (Bewertung des Eigenkapitals).
Bei den Entity-Ansätzen werden Erfolgsgrößen vor Zinszahlungen (z.B. OFCF, NOPAT) betrachtet, die allen Kapitalgebern (Eigentümern und Fremdkapitalgebern) einen Vermögenszuwachs ermöglichen. Die erzielte Rendite r spiegelt demzufolge die Rendite auf das zu Marktwerten investierte Unternehmensvermögen (Enterprise Value) wider. Eine Investition lohnt sich, falls der interne Zinsfuß r die Kapitalkosten aller Kapitalgeber (WACC) übersteigt.
Bei den Equity-Ansätzen müssen zwingend Erfolgsgrößen nach Zinsen (z.B. FCF, bereinigte Jahresüberschüsse) bewertet werden, die ausschließlich den Eigentümern zur Verfügung gestellt werden können. Der interne Zinsfuß gibt die Verzinsung auf das zu Marktwerten gebundene Aktionärsvermögen (Marktkapitalisierung) an. Eine Investition lohnt sich, falls die Rendite r die Renditeforderungen der Eigentümer (Eigenkapitalkosten) übertrifft.
Der Entity-Ansatz (Rendite auf Marktwert des gebundenen Eigen- und Fremdkapitals)
Die konkrete Ermittlung des internen Zinsfußes sei am weitverbreiteten Gordon/Shapiro-Modell demonstriert. Der Unternehmenswert (Enterprise Value) ergibt sich aus dem Barwert der konstant wachsenden Operating Free Cashflows (Wachstumsrate g):
Anhand einer Prognose von nachhaltig wachsenden Operating Free Cashflows lässt sich die einzige Unbekannte in dieser Formel – der interne Zinsfuß r – bestimmen:
Die jährliche Wachstumsrate g wird maßgeblich durch die Rendite ROI auf die reinvestierten Free Cashflows bestimmt (vgl. Seppelfricke, Unternehmensbewertungen 2020, S. 75 f.):
Setzt man diesen Zusammenhang für das endogene Wachstum ein, so erhält man:
Die Rendite auf den gebundenen Marktwert des Unternehmens (Enterprise Value) ergibt sich aus der Summe der Rendite auf das aktuelle Geschäft (OFCF1/EV) zuzüglich der Rendite ROI auf die thesaurierten bzw. nicht ausgeschütteten Free Cashflows.
Die Stellschrauben der Renditen lassen sich detaillierter beschreiben, wenn man den Operating Free Cashflow aufgliedert. Es lässt sich zeigen, dass das NOPAT (Net Operating Profit After Taxes)-Ergebnis den Operating Free Cashflow des bestehenden Geschäfts abbildet (vgl. dazu Seppelfricke, Unternehmensbewertungen 2020; S. 69 ff.). Das NOPAT repräsentiert mithin den operativen Cashflow eines Unternehmens vor Erweiterungsinvestitionen. Es wird die Annahme getroffen, dass sich diese Free Cashflows des bestehenden Geschäfts (NOPAT) aufspalten lassen in einen Teil, der an die Kapitalgeber ausgezahlt wird - NOPAT*d - sowie einen Teil, der thesauriert bzw. investiert wird - NOPAT*(1-d). Der tatsächlich zur Verfügung stehende Free Cashflow wird mithin in jeder Periode durch die thesaurierten bzw. reinvestierten Cashflows vermindert:
Der Free Cashflow nach Erweiterungsinvestitionen (OFCF) entspricht also in jeder Periode den ausgeschütteten Free Cashflows des jeweils laufenden Geschäfts (NOPAT). Der interne Zinsfuß lässt sich deshalb auch beschreiben durch:
Das ist die zentrale Gleichung zur Ermittlung der Rendite im Entity-Ansatz. Es wird deutlich, dass sich die Rendite aufspalten lässt in einen
Cash Return d*(NOPAT/EV) sowie einen
Reinvestment Return (1-d)*ROI.
Der Cash Return ergibt sich aus dem Teil der Free Cashflows des bestehenden Geschäfts, der den Kapitalgebern in einer Periode zur Verfügung gestellt wird. Der Cash Return umfasst neben Dividenden auch Aktienrückkäufe und die gezahlten Zinsen an die Fremdkapitalgeber. Die Höhe des Cash Returns wird insbesondere von der nachhaltigen Rendite NOPAT/Enterprise Value (EV) beeinflusst. Der Reinvestment Return folgt aus dem (endogenen) Wachstum des Unternehmens und lässt sich demzufolge auch als „Wachstumsrendite“ (“Growth Return”) bezeichnen. Die Wachstumsrendite wird maßgeblich von der Kapitalrendite (ROI) der Erweiterungsinvestitionen bestimmt. Der ROI gibt hier an, inwieweit durch die (jährlich konstanten) Erweiterungsinvestitionen zusätzlicher Free Cashflow generiert wird.
Das Verhältnis NOPAT/EV beschreibt eine Rendite auf das betrieblich gebundene Kapital, wobei der Kapitaleinsatz zu Marktwerten angesetzt wurde. Man könnte NOPAT/EV deshalb auch als er ROIC (Return on Invested Capital) oder ROCE (Return on Capital Employed) bezeichnen. Die traditionelle Berechnung des Invested Capital bzw. des Capital Employed beruht jedoch auf Wertansätzen der Bilanz. Die Bilanzansätze (Buchwerte) des Vermögens entsprechen jedoch kaum dem tatsächlich gebundenen Vermögen der Investoren. Viele Unternehmen (insbesondere aus dem Dienstleistungssektor) verfügen über bedeutsames Vermögen in Form von Markennamen, Humankapital, selbst geschaffenes Software, Lizenzen, Kundenbindung etc. Dieses immaterielle Vermögen wird häufig aufgrund mangelnder Greifbarkeit in den Bilanzen nicht erfasst (Ausnahme: gezahlte Kaufpreise bei Übernahmen und Kaufpreisallokation des Vermögens gemäß IFRS 3). Der Marktwert des betrieblich gebundenen Vermögens (Enterprise Value) spiegelt diese Werte jedoch wieder, in der Folge wird die Rendite NOPAT/EV regelmäßig realistischer die operativen Ertragskraft eines Unternehmens nachzeichnen als die traditionell berechneten Kapitalrenditen ROIC bzw. ROCE. Zur besseren Abgrenzung wird das Verhältnis NOPAT/EV im folgenden als Return on Enterprise Value (ROEV) bezeichnet.
Beispiel: Der Enterprise Value eines Unternehmens an der Börse betrage 1 Mrd. €. Es lässt sich nachhaltig ein NOPAT (Free Cashflow des bestehenden Geschäfts) von 100 Mio. € erzielen. Der ROEV auf Basis der aktuellen Marktbewertung beträgt mithin 10%. Die nachhaltige Ausschüttungsquote d wird auf 80% eingeschätzt. In der Folge werden also nachhaltig 20% der Free Cashflows des bestehenden Geschäfts in Erweiterungen des Unternehmens investiert. Daraus errechnet sich ein Free Cashflow nach Erweiterungsinvestitionen von 80 Mio. €. Auf Grundlage einer Analyse von Markt und Wettbewerb wird erwartet, dass die Erweiterungsinvestitionen dauerhaft eine Kapitalrendite (ROI) von 8% abwerfen werden. In der Folge beträgt die nachhaltige Wachstumsrate g = 20%*8% = 1,6%. Mit Hilfe dieser Angaben lässt sich ein interner Zinsfuß auf das zu Marktwerten gebundene betriebliche Vermögen von r = 80%10% + 20%*8% = 9,6% errechnen.
Man beachte, dass Ausschüttungsquoten, Renditen und Wachstumsraten voneinander abhängen (g=(1-d)*ROI). Bei der Betrachtung von ewigen Renten muss bedacht werden, dass die Wachstumsrate nachhaltig realistisch gewählt wird. Sie wird nachhaltig nur etwa in einer Größenordnung von ca. 1 - 2 % liegen. Eine Wachstumsrate von z.B. g = 2% ist bei einem ROI von beispielsweise 10% nur kompatibel mit einer nachhaltigen Ausschüttungsquote von 80%. Die nachhaltige Ausschüttungsquote wird deshalb im Regelfall nicht der aktuellen Ausschüttungsquote entsprechen. Es ist auch erwähnenswert, dass der Return on Investments (ROI) der Erweiterungsinvestitionen eine nominale Rendite darstellt. Insofern spiegelt der interne Zinsfuß auch das inflationsbedinge Wachstum wider.
Das Modell macht deutlich, dass die Grundlage der internen Verzinsung die Ertragskraft (ROEV) im bestehenden Geschäfts darstellt. Mit Hilfe von einbehaltenen/thesaurierten Gewinnen lässt aber ggf. auch noch eine Zusatzrendite erzielen. Damit zwingt der Ansatz dazu, sich mit der Verwendung von Free Cashflows (also mit der Kapitalallokation) auseinanderzusetzen. Die nachhaltigen Kapitalrenditen müssen auf Grundlage einer Analyse der Rahmenbedingungen des Unternehmens abgeschätzt abgeschätzt werden. Diese Faktoren spiegeln erfahrungsgemäß bei der Beurteilung von Unternehmen eine erhebliche Rolle und sollten deshalb intensiv begutachtet werden. Unternehmen, die über zahlreiche Wachstumsoptionen verfügen (wenig ausschütten bzw. viel thesaurieren) und die einbehaltenen Mittel sehr profitabel anlegen können, erfahren in diesem Ansatz eine bessere Beurteilung.
Das Modell liefert aber auch noch eine andere interessante Erkenntnisse. Der interne Zinsfuß er ergibt sich aus dem gewichteten Durchschnitt der Renditen der einzelnen Verwendungen der Free Cashflows des bestehenden Geschäfts. Die Gewichte resultieren aus der Kapitalallokation, als aus den Anteilen, welche die jeweiligen Kapitalverwendungen am gesamten Free Cashflow haben. Falls das gesamte NOPAT den Kapitalgebern (in Form von Dividenden, Aktienrückkäufen oder Zinsen) zur Verfügung gestellt wird (d=100%), so entspricht die interne Verzinsung exakt der betrieblichen Rendite ROEV. Sofern ein Teil der Free Cashflows des bestehenden Geschäfts einbehalten und in Erweiterungen reinvestiert wird, kann sich der Return jedoch verändern. Eine Renditesteigerung kann erzielt werden, wenn der ROI den ROEV übertrifft. Man beachte aber, dass im umgekehrten Fall für ROI<ROEV die Kapitalgeber eine Verminderung der internen Verzinsung hinnehmen müssen. Wachstum macht sich also nicht per se in einer Erhöhung der internen Rendite bemerkbar!
Das hat auch wichtige Implikationen für die Unternehmenssteuerung. Das Management kann durch Entscheidungen zur Kapitalallokation die interne Verzinsung für die Kapitalgeber maßgeblich beeinflussen. Für eine Optimierung der Verzinsung sollten die frei verfügbaren Cashflows in diejenige Verwendung fließen, welche die höchste Rendite abwirft. Es sollten nur Erweiterungsinvestitionen durchführt, die der Bedingung ROI>ROEV genügen. Die Kapitalgeber können sich in diesem Fall an einer "Überrendite" erfreuen. Für ROI<ROEV findet eine Renditevernichtung statt und das Management sollte die frei verfügbaren Cashflows besser an die Kapitalgeber auskehren. Das liefert ihnen insgesamt eine höhere Rendite.
Diese Überlegungen widerstreben herkömmlichen Denkmustern. In traditionellen Modellen (z.B. dem Übergewinn-Modell) sollten zur Steigerung des Shareholder-Value nur Investitionen vorgenommen werden, deren Kapitalverzinsungen (ROI) über den Kapitalkosten (WACC) liegen. In diesen Kalkülen wird jedoch die interne Verwendungsmöglichkeit von Cashflows unterschlagen. Im Kern stellen Kapitalkosten die geforderte Rendite der Kapitalgeber dar. Es ist naheliegend, dass die geforderte Rendite zumindest der Rendite des bestehenden Geschäfts (ROEV) entsprechen muss. Diese Rendite lässt sich durch Ausschüttungen problemlos realisieren und kann auf Basis der aktuellen Marktbewertung des Unternehmens (Enterprise Value) jederzeit sehr präzise bestimmt werden. Die Bestimmung von Kapitalkosten (z.B. mit Hilfe des CAPM) ist dagegen regelmäßig unscharf und erfordert zahlreiche subjektive Einschätzungen.
Diese Überlegungen können auch das Investitionsverhalten von Unternehmen erklären. Unternehmen mit einem hohen ROEV (bzw. niedriger Bewertung) sollten eher dazu neigen, frei verfügbare Liquidität auszuschütten. Demgegenüber sollten hochbewertete Unternehmen (bzw. niedrigem ROEV) eher Erweiterungsinvestitionen vornehmen, da die Bedingung ROI>ROEV mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erfüllt ist. Im Rahmen der Unternehmenssteuerung ist es allerdings problematisch, dass die aktuellen Marktbewertungen nur eine Momentaufnahme darstellen. Es kann zu Fehleinschätzungen führen, wenn man die Überlegungen zu langfristigen Investitionen ausschließlich an aktuellen Marktwerten festmacht. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Der Enterprise Value und folglich der ROEV können sich im Zeitablauf schnell verändern und die bisherige Beurteilung hinfällig machen. Insofern habe auch traditionelle Bewertungskalküle für die Beurteilung von Investitionen ihre Berechtigung.
Merke: Die Ermittlung von internen Zinsfüßen zur Beurteilung von Investitionen in börsennotierte Unternehmen hat viele Vorteile. Anhand von Marktbewertungen an den Börsen lassen sich anschaulich Renditen ermitteln, die von jedermann intuitiv interpretiert werden können. Für die Beurteilung der Investitionen ist es nicht erforderlich, allgemeingültige Kapitalkosten zu bestimmen. Jeder Investor kann selber entscheiden, ob die Rendite seinen individuellen Ansprüchen genügt. Der Verzicht auf die Berechnung von Kapitalkosten ist insbesondere in Zeiten sinnvoll, in denen die Marktzinsen durch die Zentralbanken maßgeblich verzerrt werden. Daneben zwingt der Ansatz zu einer Betrachtung der Kapitalallokation (Verwendung der Free Cashflows). In der Folge ist es möglich, auch die Renditen von erfolgreichen Wachstumsunternehmen verlässlich zu identifizieren.
Allerdings wird die Zukunft recht grob erfasst – Ausschüttungsquoten, Kapitalrenditen und Wachstumsraten sollen bis in alle Ewigkeit konstant bleiben. Insbesondere bei Wachstumsunternehmen sind diese Bedingungen nicht erfüllt. Nahezu alle Industrien weisen Lebenszyklen auf und hohe Wachstumsraten schmelzen erfahrungsgemäß mit der Zeit dahin (Mean Reversion). Der interne Zinsfuß r wird dementsprechend die nachhaltige Rendite bei Wachstumsunternehmen eher überschätzen. Die Abschmelzung der ROI lässt sich in dem Modell jedoch abbilden, indem der ROI mit einem Fade-Faktor (Abschmelzungsfaktor) versehen wird (vgl. dazu Seppelfricke, Unternehmensbewertungen 2020; S. 93 ff.).
Daneben ist auch problematisch, dass nur zwei Verwendungsmöglichkeiten für den Free Cashflow betrachtet werden: Cash Distributions und Reinvestments. Die Reinvestments ergeben sich als Residualgröße: Der gesamte, nicht ausgeschüttete Teil des Free Cashflows wird annahmegemäß reinvestiert. Diese Annahme erweist sich insbesondere bei sehr ertragsstarken Unternehmen (z.B. Alphabet, Apple) als unrealistisch und kann zu einer deutlichen Überschätzung der Rendite führen. Aufgrund ihrer Ertragskraft können diese Unternehmen kaum den gesamten, nicht ausgeschütteten Free Cashflow wertsteigernd investieren. Sie sind gezwungen, Reserven zu legen (in Form von Liquiden Mitteln und Finanzanlagen) oder Akquisitionen zu tätigen. Erfahrungsgemäß können Liquide Mittel, Finanzanlagen oder Akquisitionen kaum die Renditen des bestehenden Geschäfts erreichen. Bei Übernahmen gibt es regelmäßig einen Bieterwettbewerb und die absehbaren Renditen werden in etwa auf dem Niveau der Kapitalkosten (WACC) liegen.
Es kann deshalb zweckmäßig erscheinen, die Verwendungsmöglichkeiten für den Free Cashflow entsprechend zu erweitern. Betrachtet man eine differenzierte Kapitalallokation mit drei verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten für den Free Cashflow (Erweiterungsinvestitionen in internes Wachstum, Investitionen in Beteiligungen/Übernahmen, Bildung von Reserven), so lässt sich der interne Zinsfuß auch detailliert ermitteln mit:
dA Anteil der Ausschüttungen (Cash Distributions) an den Free Cashflows des bestehenden Geschäfts,
dIW Anteil der Erweiterungsinvestitionen (Internes Wachstum) an den Free Cashflows,
dEW Anteil der Investitionen in externes Wachstum (Beteiligungen/Übernahmen),
dC Anteil der Bildung von Reserven an den Free Cashflows.
Man beachte dabei, dass sich die Anteile der Verwendungsmöglichkeiten des Free Cashflows auf 1 summieren müssen. Auch bei einer ausgefeilteren Betrachtung der Kapitalallokation ergibt sich der interne Zinsfuß aus dem gewichteten Durchschnitt der Renditen aus den einzelnen Verwendungen.
Beispiel: Apple generiert einen Free Cashflow (NOPAT) von jährlich etwa 50 Mrd. USD. Davon werden ca. 80 % an die Kapitalgeber in Form von Dividenden, Zinsen oder Aktienrückkäufen ausgekehrt. Die Rendite auf das laufende Geschäft (ROEV) beträgt in etwa 5 %. Es werden nur verschwindend geringe Anteile der Free Cashflows für Erweiterungsinvestitionen genutzt. Ca. 10 % des NOPAT werden für Beteiligungen bzw. Übernahmen verwendet und ca. 10 % fließen in die Bildung von Reserven. Annahmegemäß können bei diesen Verwendungsmöglichkeiten nur Renditen von 4 % erreicht werden. Der interne Zinsfuß auf den Marktwert des betrieblich gebundenen Vermögens (Enterprise Value) von Apple errechnet sich demzufolge aus r = 80%*5% +10%*4%+10%*4%=4,8%.
Ermittlung der Aktionärsrendite aus der Unternehmensrendite (Indirekte Ermittlung)
Die jährliche Verzinsung r auf den Marktwert des Unternehmens (Enterprise Value) zeigt operativen Free Cashflows an, der jährlich allen Kapitalgebern zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Abzug der Ansprüche von Fremdkapitalgebern und ggf. der Ansprüche von Vorzugsaktionären, Minderheitsaktionären sowie Inhabern von Wandlungsrechten erhält man die nachhaltigen Free Cashflows für die Inhaber der Stammaktien. Sofern es nur Ansprüche von Fremdkapitalgebern gibt, kann man die Verzinsung für die Aktionäre anschaulich anhand der "üblichen" Leverage-Formel ermitteln. Es gilt:
Equity-Ansatz (Direkte Ermittlung der Aktionärsrendite)
Bei den Entity-Ansätzen werden Erfolgsgrößen vor Finanzergebnis bewertet, die allen Kapitalgebern (Eigentümern und Fremdkapitalgebern) einen Vermögenszuwachs ermöglichen. Der Entity-Ansatz ist im Regelfall vorzuziehen, da sich operative Erfolge schlüssig aus einer Analyse des Unternehmens und seines Marktumfeldes prognostizieren lassen. Bei Banken und Finanzdienstleistern spiegel sich die Geschäftstätigkeit jedoch maßgeblich im Finanzergebnis wider. Es macht deshalb Sinn, bei diesen Unternehmen Erfolgsgrößen nach Finanzergebnis bei der Berechnung des internen Zinsfusses zu erfassen. Als Erfolgsgröße wird der Free Cashflow (FCF) nach Finanzergebnis (Free Cashflow to Equity) betrachtet. Die Rendite aus das zu Marktwerten investierte Eigenkapital ergibt sich demzufolge aus:
Eine Investition lohnt sich, falls die Rendite r die Renditeforderungen der Eigentümer (Eigenkapitalkosten) übertrifft. Man beachte, dass sich die Wachstumsrate entsprechend auf das Wachstum der Free Cashflows to Equity bezieht:
Das jährliche Wachstum wird getrieben vom Return on Equity (ROE) auf die von den Eigentümern reinvestierten (bzw. nicht ausgeschütteten) Gewinne. Der Free Cashflow to Equity entspricht in jeder Periode den ausgeschütteten Gewinnen (die nicht ausgeschütteten Gewinne werden annahmegemäß in Erweiterungen investiert). Berücksichtigt man diese Zusammenhänge, so erhält man die zentrale Gleichung für die Ermittlung des internen Zinsfusses im Equity-Ansatz:
Analog zum Entity-Ansatz lässt sich auch im Equity-Ansatz die Rendite aufspalten lässt in einen
Cash Return d*Jahresüberschuss/Marktkapitalisierung sowie einen
Reinvestment Return (1-d)*ROE.
Der Cash Return ergibt sich aus dem Teil der Free Cashflows to Equity des bestehenden Geschäfts, der den Eigentümern in einer Periode zur Verfügung gestellt wird. Der Cash Return umfasst neben Dividenden auch Aktienrückkäufe. Der Cash Return wird maßgeblich von der Gewinnrendite (Jahresüberschuss/Marktkapitalisierung) getrieben. Der Reinvestment Return folgt aus dem (endogenen) Wachstum des Unternehmens und lässt sich ebenso wie im Entity-Ansatz als „Wachstumsrendite“ (“Growth Return”) bezeichnen. Der Reinvestment-Return wird insbesondere von der Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital (ROE) bestimmt.
Abgrenzung zum Kurs-Gewinn-Verhältnis
Man beachte, dass der erste Bruch in der obigen Formel den Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses darstellt. Die interne Rendite im Equity-Ansatz lässt sich demzufolge auch darstellen durch:
Falls der gesamte Gewinn seinen Eigentümern (in Form von Dividenden oder Aktienrückkäufen) zur Verfügung gestellt wird (d=100%), so entspricht die Aktionärsrendite exakt der Gewinnrendite (Kehrwert des KGV). Sofern ein Teil der Free Cashflows to Equity einbehalten und in Erweiterungen reinvestiert wird, kann sich der Return jedoch verändern. Eine Renditesteigerung kann erzielt werden, wenn der ROE die Gewinnrendite übersteigt. Im umgekehrten Fall, für ROE<Gewinnrendite (Kehrwert des KGV), müssen die Eigentümer jedoch eine Renditeverminderung hinnehmen.
Diese Analyse macht auch deutlich, dass es mit traditionellen Multiplikatoren wie dem KGV kaum möglich ist, erfolgreiche Wachstumswerte verlässlich zu identifizieren. Multiplikatoren wie das KGV verleiten den Bewerter dazu, die Kapitalallokation und die Stellschrauben eines erfolgreichen Wachstums auszublenden. Unternehmen, die wenig ausschütten (bzw. viel thesaurieren) und die einbehaltenen Mittel sehr hoch verzinsen können, sollten jedoch eine höhere Bewertung erfahren. Mit der oben gezeigten Methode ist es leicht möglich, die Wachstumsperspektiven eines Unternehmens adäquat zu erfassen.
Abgrenzung zur Dividendenrendite
Der ausgeschüttete Teil des Jahresüberschusses setzt sich aus den Dividendenzahlungen und den Aktienrückkäufen zusammen:
Demzufolge lässt sich die Aktionärsrendite im Equity-Ansatz auch umformulieren in:
Diese Formulierung macht besonders deutlich, dass die Dividendenrendite als alleiniges Beurteilungskriterium bei der Aktienauswahl unzureichend ist. Die anderen Möglichkeiten der Verwendung von Free Cashflows (Kapitalallokaton) werden vollständig ausgeblendet. Mit Hilfe von Aktienrückkäufen oder einbehaltenen/reinvestierten Mitteln kann den Aktionären ebenfalls eine Rendite verschafft werden. Insbesondere bei US-Unternehmen machen Aktienrückkäufe mittlerweile einen beträchtlichen Teil der Rendite aus. Erweiterungsinvestitionen sind - wie oben gezeigt - für die Aktionäre vorteilhaft, wenn der ROE den Cash Return (aus Dividenden und Aktienrückkäufen) übersteigt. Anlagestrategien, die auf der Auswahl von Aktien mit hohen Dividendenrenditen beruhen, laufen deshalb Gefahr, dass wertvolle Wachstumsunternehmen in den Portfolios unterrepräsentiert sind.
Abgrenzung von anderen Renditeformulierungen
Im Anhang seines Shareholder Letters aus dem Jahre 1986 beschreibt Warren Buffett das Konzept der Owner Earnings. Bei den Owner Earnings handelt es sich im Kern um eine Free Cashflow to Equity nach Erhaltungsinvestitionen (Maintenance Capex). Dabei arbeitet er als einer der ersten Praktiker heraus, dass sich Cashflows besser zur Beurteilung der Ertragskraft eignen als die ausgewiesenen Gewinne. Dieser Vorteil hat sich jedoch mit den Jahren relativiert, da die Modernisierung der Bilanzregeln gemäß IFRS oder US-GAAP mittlerweile dazu geführt haben, dass auch die ausgewiesenen Ergebnisse vieler Unternehmen recht präzise die Vermögensmehrung für die Kapitalgeber bzw. Eigentümer abbilden. Im Gegenteil: Ausgewiesene Ergebnisse wie das EBIT oder der Jahresüberschuss erweist sich häufiger stabiler als die Cashflows nach Abzug von Investitionen (ins Anlagevermögen und ins Working Capital). In der Folge erschweren die ermittelten Cashflows häufig den Blick auf die nachhaltige Ertragskraft.
Die Erkenntnis, dass nur Maintenance Investments in den Cashflows erfasst werden sollen, erscheint dagegen noch zeitgemäß. Dies ist insbesondere bei Wachstumsunternehmen sinnvoll, bei denen es Jahre dauern kann, bis sich Erweiterungsinvestitionen positiv in den Cashflows bzw. Ergebnissen bemerkbar machen. Die Erweiterungsinvestitionen stark wachsender Unternehmen fallen regelmäßig sehr hoch aus und traditionell ermittelte Free Cashflows spiegeln kaum die nachhaltige Ertragskraft wieder – sie unterschätzen im Regelfall die nachhaltige Ertragskraft.
Die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten für den Free Cashflow werden von Buffett nicht erfasst. Eine Renditeermittlung aus Basis der Owner Earnings fällt deshalb regelmäßig undifferenziert und sehr konservativ aus. Bruce Greenwald von der Columbia University hat deshalb in einem zweiten Schritt die Verwendung der Free Cashflow in den Return eingearbeitet. Seine „Forward Yield“ erhielt ergibt sich aus:
Die Rendite ("Forward Yield") wird also aufgespalten in
Cash Return (Dividenden, Aktienrückkäufe und Zinsen im Entity-Ansatz),
Reinvestment Return (von Erweiterungsinvestitionen) und
Organic Growth (von Erhaltungsinvestitionen).
Die Bestandteile 2. und 3. tragen zum gesamten Wachstum des Unternehmens bei, folgerichtig bezeichnet Greenwald den Reinvestment Return zuzüglich des organischen Wachstums auch als “Value Growth”. Den Reinvestment Return bezeichnet Greenwald als "Value Creation". Wenn es gelingt, dass sich die Erweiterungsinvestitionen höher verzinsen als die Kapitalkosten, wird ein zusätzlicher Wert („Value Added“) geschaffen. Den Faktor ROI/WACC bezeichnet Greenwald als Capital-Allocation-Factor. Ein Capital-Allocation-Factor größer 1 bedeutet, dass das Unternehmen seine Investitionen höher verzinsen kann als seine Kapitalkosten und somit einen zusätzlichen Wert für die Kapitalgeber generiert. Bei einem Capital Allocation Factor kleiner 1 wird Wert vernichtet. Das organische Wachstum g kann in der Folge nur noch das Wachstum des NOPAT (also des Free Cashflows nach Erhaltungsinvestitionen) darstellen. Es bildet also das nominale Wachstum ab, das mit dem bestehen Kapitalstock zu erreichen ist.
Greenwald gebührt die Erkenntnis, dass bei Renditen auch die Kapitalallokation betrachtet werden sollte. Der Ansatz zwingt den Bewerter dazu, die Kapitalrenditen und Wachstumsmöglichkeiten in der Zukunft zu durchdenken und quantitativ zu bestimmen. Diese Faktoren spiegeln in der Praxis bei der Bewertung eine erhebliche Rolle und sollten deshalb nicht (wie bei Buffet) unterschlagen werden. Aus unserer Sicht ist sein Vorgehen aus verschiedenen Gründen jedoch problematisch:
1. Die Rendite wird nicht schlüssig aus einem Diskontierungsmodell hergeleitet, sondern ad hoc postuliert. Es werden Erkenntnisse aus traditionellen DCF- und Übergewinn-Modellen vermischt. Der Ansatz ist deshalb nicht mit den Bewertungsmodellen von Miller/Modigliani oder dem Übergewinn-Modell in Einklang zu bringen (vgl. dazu Seppelfricke, Unternehmensbewertungen 2020; S. 81 ff.). Der Wert des Wachstums wird zwar eingängig, aber nicht schlüssig erfasst!
2. Die Bestandteile des „Value Growth“ sind nicht präzise voneinander abzugrenzen. Aufgrund der zunehmenden Erweiterungsinvestitionen ist auch bei den Reinvestment Returns ein Wachstum vorprogrammiert. Das organische Wachstum kann sich deshalb nicht nur auf das bestehende Geschäft beziehen. Die organische Wachstumsrate g kann folglich nicht schlüssig erklärt werden.
3. Der Ansatz von Greenwald erfordert die Ermittlung des WACC. Damit müssen komplexe und subjektive Berechnungen in die Betrachtung eingeführt werden, welche die Vergleichbarkeit regelmäßig beeinträchtigen und neuer Fehlerquellen begründen.
Beispiel: Die Aktionärsrendite (Shareholder Return) lässt sich vergleichsweise einfach anhand von aktuellen Mark- und Bilanzdaten errechnen. Die Kennzahl eignet sich deshalb gut für ein effizientes Aktienscreening. Die Tabelle unten verdeutlicht ein derartiges Screening. Es fällt auf, dass sich regelmäßig auch attraktive Wachstumswerte wie Apple oder Samsung in der Tabelle wiederfinden. Bei traditionellen Screenings anhand von herkömmlichen Multiples oder Dividendenrenditen werden diese Werte regelmäßig unterschlagen. Eine aktuelle Tabelle findet man auf unserer Homepage.
Tabelle 1: Aktionärsrendite im Rahmen eines Aktienscreenings